Ein Bericht eines Trainers im Kinder- & Jugendfussball. Im Sommer 2020 beschließt der Autor, das Fussballteam seines damals 7-jährigen Sohnemanns zu trainieren, mit leichter Vorfreude und Unwissenheit, worauf er sich einlässt. Was 3 ½ Jahre später daraus geworden ist, erzählt Steffen Haas in seinem Bericht. Eine Geschichte über Kinderfussball, die schönste Nebensache der Welt, Geheimsprache und die überwältigende Wucht des Ehrenamts.
VON STEFFEN HAAS
Konstanz - Diese Geschichte hat sich sicherlich in den letzten Jahren schon etliche Male wiederholt. Ehemalige Fussballer, die nun wieder als Trainerpapa und Jugendtrainer mit Sohn oder Tochter auf dem Feld stehen. Mein Abenteuer beginnt, als ich meinem Sohn beim Training zuschaue. Meine Gedanken nach zweimaligem Zuschauen: Den Trainer muss ich unterstützen, wenigstens beim Tore verrücken. Und als dieser dann auch noch aufgrund einer Knie-OP für mehrere Monate ausfällt, stehe ich als Übungsleiter auf dem Platz. Natürlich zögere ich keine Sekunde, dieses Amt zu übernehmen und ich hatte auch keine Argumente dagegen, war ich doch selbst jahrelang ein begeisterter Kicker und hatte obendrein einen abgelaufenen Trainerschein in der Tasche. Schnell wird mir klar, dass ich den jungen Wilden mit Begeisterung und auch Disziplin das Fussballspielen beibringen will. Aus den anfänglichen Trainingseinheiten wird mehr. Ich begriff, dass ein Trainer nicht nur eine viertel Stunde vor Trainingsbeginn mit einem Ballnetz über der Schulter zwei Mal die Woche auf dem Platz steht. Organisatorische Aufgaben wie Trainingsmaterial, Trainingszeiten, Trainingsplätze und -hallen im Sommer und Winter, Sponsoren für Trikots und Shirts, Freundschaftsspiele, Turnier-anmeldungen, Passanträge, Elterngespräche und einiges mehr wurden nun neben der eigentlichen Trainingsvorbereitung Alltag. Natürlich dachte ich, die organisatorischen Tätigkeiten werden einem abgenommen. Aber von wem? Im Verein gab es so eine Stelle aktuell nicht. Und ich wollte es, wenn, dann auch richtig machen.
Waren es anfänglich noch zwölf Kinder, so stieg die Zahl nach einem Jahr auf 24 (fast alles 2012er) an, so dass ich sehr froh um die Unterstützung von meinem Co-Trainer Kavian war, ein damals 19-jähriger Flüchtling aus dem Iran, der unglaublich schnell deutsch lernte und mit Fleiß, Disziplin und einer smarten Gelassenheit den Ruhepol für die Kids im Trainergespann bildete, und der als angehender Abiturient und Spieler unserer ersten Mannschaft mich bis heute begeistert.
Unmittelbar vor der zweiten E-Saison sitze ich gemeinsam mit den Eltern bei meinem ersten Elternabend als Coach und erzähle, was ich plane und was meine speziellen Forderungen unter anderem sind: Regelmässige Trainingsbeteiligung bei Regen oder Kälte, «es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung». Null Toleranz gegenüber beleidigenden Äusserungen. Gleiche Anzahl Bälle vor und nach dem Training. Den Trainern wird zur Begrüssung die Hand gegeben. In der kommenden Zeit werde ich noch oft meinen Zettel rausholen und die Regeln wiederholen.
Zur Person:
Steffen Haas ist 45 Jahre alt und war früher selbst seit seinem 5. Lebensjahr über 30 Jahre lang begeisterter Fussballer. Der gebürtige Konstanzer durchlief als Aktiver alle Mannschaften beim früheren FC Wollmatingen und engagiert sich nun beim SC Konstanz-Wollmatingen.
Ich hadere mit meinen Coaching-Anweisungen, beginne von Spielzügen zu schwärmen, sitze vor jedem Training am Schreibtisch und suche in Fachbüchern und Online nach passenden Übungsformen.
Und ich musste auch verstehen, dass es bereits in der E-Jugend nicht an taktischem Kalkül mangelt. Gegnertrainer aller Art gibt es. Mit manchen kommt man sogar in einen kurzen fachlichen Austausch.
Mit dem Herbst zieht auch bei uns grauer Alltag ein. Trainingsabsagen bei Regen, Kälte oder wegen Krankheiten. Aus den 23 Kindern mache ich zwei Mannschaften. Ein Trainer hat sich für die zweite Garde gefunden. Und schnell merken die Sprösslinge und auch die Eltern, dass Fussball auch im Winter nicht unbedingt Hallensport sein muss.
Ich habe Spass mit den Jungs, die so viel Energie und Bock auf Fussball haben und selbst bei Regen mit dem Fahrrad von Wollmatingen zum Hockgraben oder Waldheim zum Training kommen und danach im Pulk wieder nach Hause fahren. Viel Spaß, aber auch viel Kraft kosten die unterschiedlichen Persönlichkeiten. Jedes Kind so nehmen wie es ist, mit dem Ziel, es weiter voran zu bringen. Die Temperamente reichen von aufbrausend und beratungsresistent über selbstzweifelnd bis hin zu verträumt; die Ziele von Champions League bis einfach nur Austoben. Andererseits bedeutet das für Trainer im Jugendbereich einen andauernden Spagat. Zwischen Fordern und gutem Zureden, zwischen Motivieren, Anstacheln und Beruhigen, Kritisieren und Trösten.
Um meinem eigenen Anspruch eines gut organisierten Trainers gerecht zu werden und den Jungs eine schöne Zeit zu bieten, organisiere ich Sondertrainingseinheiten, Hallenturniere, Nikolausüberraschungen, Besuche bei der HSG, Videoanalysen, Sommerturniere, Mannschaftsfeiern und vieles mehr.
Nicht zu unterschätzen war die zeitintensive Coronazeit mit den viele Auflagen, wie zum Beispiel Bälle desinfizieren, Trainingsblöcke hintereinander organisieren, damit die damals maximale Anzahl der Spieler auf einem Platz nicht überschritten wurde. An Spieltagen mussten Corona-Registrierungsblätter erstellt und kopiert werden.
Das Traineramt beinhaltet nicht nur den Kindern Fussball beizubringen, sondern die vielfältigen zusätzlichen Aufgaben, wie die Schlüsselverwaltung, Vereins-Webshops zu organisieren, Trainersuche, Elterngespräche, Kommunikation mit dem Verband bezüglich Fördertraining, Gespräche mit dem Platzwart, Organisation einer E-Fördergruppe für die talentiertesten Kinder der acht Konstanzer E-Jugend-Mannschaften und vieles mehr. All dies mache ich mit großer Leidenschaft, jedoch fühlt man sich manches Mal allein gelassen. Traurig und schade ist der große Mangel zur Bereitschaft eines kleinen Ehrenamtes im Verein.
Gleichzeitig fordere ich aber auch viel ein. Von den Kindern wie auch von den Eltern meines Teams. Begeistert bin ich von meinen Fussballeltern, die sich oft beim Helfen einbringen. - Der Spagat wird grösser zwischen «es ist nur Kinderfussball» und «anforderungsgerechtem Fussball». Leistung im Kinderfussball sollte nicht schon so früh auf der Agenda stehen, aber als die Jungs nach einer verkorksten Hinrunde «nur» Zweiter wurden wurmt das alle schon. Da ist man einfach zu menschlich. Der Verband beschloss, ab Sommer 2023 in der E-Jugend von der Ligaform mit Tabelle wegzugehen und somit wurden wir im Frühjahr 2023 als letzte E-Jugendmannschaft verdienter Staffelsieger. Mit Stolz tragen wir fortan einen Stern auf dem Trikot, welchen uns niemand mehr wegnimmt. Das Gefühl ist einfach super. Wir feiern, als hätten wir die Champions-League gewonnen. Eine Woche später beim Heimturnier holt uns wieder mit einem 4. Platz die Realität ein. So ist Fussball! Grausam und schön!
Nach einer kurzen Sommerpause befinden wir uns bereits in der Vorbereitung zur neuen D-Jugend-Saison und werden als jüngerer Jahrgang wieder unsere ersten Sporen verdienen müssen. Mein Co-Trainer und ich stehen in der Folgesaison vor der Herausforderung des Mentaltrainings. Wir machen Teamevents, gehen zum Kletterpark, machen ein Trainingslager, erfinden Spezialbegriffe für taktische Spielzüge, und stehen ein halbes Jahr später in unserer Liga in der oberen Tabellenhälfte. Aber was mich noch glücklicher macht: Ich habe das Gefühl, den Kids etwas Besonderes mitgeben zu können. Etwas, an das sie sich im Guten immer erinnern werden. So wie meine Erinnerungen heute an damals vor 30 Jahren in der Jugend des FC Wollmatingen. Ich bin gespannt, wo unsere Reise hinführt.
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